Skyscraper

Und manchmal könnte ich trotzallem vor Freunde tanzen, springen und schreien. Ich hab mich heute nachmittag mit zwei guten Freundinnen getroffen und muss sagen ; es hat so verdammt gut getan. Heute morgen wäre ich am liebesten im Bett geblieben und hätte mir die Decke über'n Kopf gezogen, aber als ich dann bei Mira war gings mir wirklich viel viel besser. Irgendwie ist das bei mir immer so. Wenn ich denke es wird richtig furchtbar und ich hab schon fast Angst irgendwo hinzugehen oder irgendwas zu machen, dann wird es meistens richtig gut. Und die Ablenkung war verdammt gut. Klar, meine Gedanken schweifen ständig ab. Aber meine gute Laune und so eine Art Lebensmut ist nach wie vorhanden, auch wenn er unter der Woche meistens irgendwo schlummert. Ich bin einfach froh, dass eben "nur" etwa 10 Leute von meiner Krankheit wissen. Viele Leute können damit entweder nicht umgehen oder kommen vor Sorgen fast um. Sehr beliebt ist auch, wenn du dann nur noch auf deine Krankheit reduziert wirst bzw. die Leute nicht mehr normal mit dir umgehen können. Deswegen passe ich einfach verdammt auf, wie und mit wem ich darüber rede. Vorallem machen dich diese Gespräche, auch wenn sie meistens gut tun, sehr nachdenklich und irgendwie auch traurig. In der letzten Zeit habe ich ziemlich viel darüber gesprochen. Es hat mir gut getan und ich war mit diesem ganzen Scheiß nicht ganz so alleine. Aber jetzt nervt es mich nur noch und immer mehr von sich preis zugeben, ist ein verdammt großes Risiko. Und irgendwie fühle ich mich dann noch mehr alleine und verloren und noch kränker. So bescheurt das auch klingen mag. Deswegen weiß keiner meiner Freunde, die in meiner Stufe sind davon, sonst hätte ich dieses Problem nicht nur mit der Lehrerin sonder auch mit meinen Freunden und da sich sowas extrem schnell in der Stufe rumspricht wüssten es bald alle. Und das will ich mal so überhaupt nicht!
Wenn mich jetzt gerade jemand fragen würde, wie fühlst du dich... ich wüsste nicht was ich antworten sollte. Irgendwie gehts mir gerade schon fast gut, aber gleichzeitig auch schlecht. Im Grunde bin ich Mira und Lara extrem dankbar für diesen Tag. Für ein paar Stunden Ablenkungen, lachen und einfach mal ein fast ganz normales Leben führen. Ihr glaubt nicht wie ich sowas vermisse. Ich weiß zwar nicht mehr, wie man normal ist, was ein normales Essverhältnis ist oder wie ein normales Verhältnis zum Leben aussieht, aber ich weiß, dass das Leben unglaublich schön sein kann, auch wenn ich im Moment davon nicht so viel mitbekomme. Aber dafür, dass ich jetzt schon so lange essgestört bin, ist mein Leben noch verdammt schön und lebenswert. Und dieses Theater mit der Lehrerin führt dazu, dass ich mich noch kränker und schwächer fühle. So ist zumindest mein Eindruck. Als ich gestern oder auch letzte Woche mit ihr gesprochen habe, habe ich gesagt "mir gehts im Moment ja nicht so gut" und sie sagt dann " dir gehts überhaupt nicht gut ( ...) ". Das gleiche Phänomen gibts ja auch in Krankenhäusern. Wenn man immer wieder daran erinnert wird, dass man blass ist oder man sieht, dass es einem nicht gut oder man einfach zu oft über seine Krankheit spricht wieder man noch kränker, auch wenn das eigentlich von der Psyche ausgeht. Ich hab mir jetzt geschworen bis zu den Weihnachtsferien nicht mehr über meine Krankheit zu sprechen... mal gucken, ob es mir dann besser geht. Und auch wenn das jetzt etwas gehässig klingen mag, am liebsten würde ich der Lehrerin mal zeigen, dass ich einfach momentan nicht mit ihr reden will. Klar, die letzten Gespräche gingen von mir aus, aber ich will ihr zeigen, dass ich auch ein normales Leben kenne, ohne Bulimie. Der Unterricht ist mir viel zu anstrengend, aber es gibt auch viele Sache, die mir Kraft geben und die mir zeigen, wie lebenswert das Leben ist. Ich fühle mich momentan teilweise zum zerbrechen und wie ausgekotzt gleichzeitig, aber ich glaube meine Kraft ist noch nicht zuende. Solche Tage wie heute treiben mich an, geben mir Kraft, sodass ich mein Leben genauso weiterleben kann wie es ist! Und diese Erkenntnis ist verdammt wertvoll. Ich weiß nicht, wie die nächste Woche werden wird. Laut Arbeitsplan meiner Mutter etwa so wie diese Woche, aber man weiß ja nie. Und genau, da ist das Risiko, was ist wenn sie mal zwei Stunden eher nach Hause kommt und ich gerade mitten im Essanfall drinn bin oder mit dem Kopf und Finger im Hals über der Kloschüssel hänge. Dann fliegt mein ganzens "Doppel-leben" auf und ich lande in einer Klinik und werde gezwungen gesund zu werden und bin dann wirklich UNFREI!
So bescheuert das klingen mag, aber die Bulimie gibt mir die größte Freiheit, obwohl ich der ärmste Sklave meiner selbst bin.


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